Sigst
Ein Gemeindegarten für Erlenbach

Projektstudienauftrag 2016

Ausgangslage (Auszug aus dem Jurybericht)

Das Zentrum von Erlenbach ist seit Jahrzehnten Teil eines steten Planungsprozesses. Nicht alle baulichen Visionen konnten umgesetzt werden, sodass vielerorts noch Strukturen aus der bäuerlichen Vergangenheit vorhanden sind. So auch im Gebiet Sigst. Die teilweise immer noch sehr kleinteilige Parzellierung zeichnet sich deutlich in den Bau- und Freiraumstrukturen ab. Hier treffen Anlagen aus dem 14. Jahrhundert auf solche aus dem 20. Jahrhundert. Hier trifft auch öffentliches auf privates Grundeigentum, was unterschiedliche Zielsetzungen und Vorgehensweisen zur Folge hat.

Trotz der unmittelbaren Nähe zu intensiv genutzten Infrastrukturanlagen wie dem S-Bahnhof Erlenbach und der Seestrasse sowie zu kommerziellen Einkaufs- und Dienstleistungsangeboten hat sich das Gebiet Sigst eine sehr ländliche Ausstrahlung bewahrt. Bezeichnenderweise bilden ein Obstgarten sowie die Kulturen einer Gärtnerei das Herz des Gebiets Sigst. Weiteres Kleingewerbe und erdnahes Wohnen tragen das Ihrige zu diesem Eindruck bei.

Bedingt durch die sehr guten Lagequalitäten, getrieben aber auch durch die raumplanerische Zielsetzung der inneren Verdichtung, blickt das Gebiet Sigst einem Veränderungsprozess entgegen. Ausgelöst wurde dieser im Jahr 2009 durch die Festsetzung einer Planungszone, in welche auch das Gebiet Sigst involviert war. Über verschiedene Planungsstufen hinweg wurde schliesslich mit dem öffentlichen Gestaltungsplan Bahnhofstrasse die Grundlage für die zukünftige Entwicklung des Gebiets Sigst gelegt.

Im Rahmen des Projektstudienauftrags "Freiraum Sigst" sollte nun aufgezeigt werden, wie dieser öffentliche Freiraum dereinst aussehen könnte. Viele Parameter wie beispielsweise die Lage und Gestaltung von zukünftigen Hochbauten, Erschliessungsflächen, unterirdischen Parkierungsanlagen und privaten Freiräumen sind heute jedoch grösstenteils noch unbekannt. Es liegt einzig ein konkretes Projekt einer privaten Bauherrschaft für einen Neubau vor.

Freiraum Sigst

Für den Freiraum Sigst in Erlenbach schlagen wir einen Gemeindegarten vor. Die Idee eines heranreifenden Gartens ist gut geeignet für diesen Ort.

Nachdem eine vorgesehene urbane Grossüberbauung offenbar keine Mehrheit fand und nicht zur Realität wurde und nun die Bahnhofstrasse als lebendige Fussgängerzone mit Zufahrtsrecht für Anlieferungen gefördert werden soll, sehen wir den Freiraum Sigst als einen prägend grünen, urbanen Komplementärraum zur Bahnhofstrasse. Die Untersuchung der Landschaftsentwickung zeigt hier in Erlenbach einen für die Schweiz üblichen Prozess der zunehmenden Ausdehnung von Bebauung in die Landwirtschaftsflächen. Weinhänge wurden von Obsthochstammhainen und weiter von privaten Wohnbauten abgelöst. Entsprechend wichtig ist das Etablieren von naturnahen Räumen. Als Vergleich für das Wachstum von urbanen Gebieten haben wir die Entwickung von London im 19. Jahrhundert beigezogen. England bzw. London hat eine ereignisreiche Historie zur Gartentradition. Die Verdichtung von Siedlungen zur Stadt ist gut dokumentiert.  Sogenannte Towngardens sind wichtiger Teil der gemeinnützigen Stadtstruktur und nahmen vielfältige Formen an. Während der Square ein grosser öffentlicher, repräsentativer Garten oder Platz zur Stadt ist, sind die Towngardens privat und den Häusern zugeordnet. Bei genauer Untersuchung der Stadtentwicklung von London im 19. Jahrhundert entdecken wir aber auch feinere Abstufungen in der Stadtstruktur: zwischen öffentlichen Squares, den grossen Parks und den privaten Towngardens erweitern gemeinnützige kleinere Gartenanlagen, welche von den Strassen zugänglich sind und unmittelbar an die privaten eingefriedeten Hausgärten andocken, das Freiraumangebot. Wegführung und präzise gepflanzte Gehölze sind dabei wichtige Gestaltungselemente.

Struktur des Gemeindegartens

Ähnlich wie die Towngardens in London schafft unser Gestaltungskonzept für den Freiraum Sigst eine klare Beziehung zwischen Gemeindegarten, Hausgärten und den Häusern.

Gehölze in Kieswegen am Rand des Perimeters im öffentlichen Freiraum schaffen einen poetischen, prägenden Grünraum mit freier Spielwiese. Da viele Parameter wie beispielsweise die Lage und Gestaltung von zukünftigen Hochbauten, Erschliessungsflächen, unterirdischen Parkierungsanlagen und privaten Freiräumen heute grösstenteils noch unbekannt sind, ist eine identitätsstiftende Grünstruktur im Zentrum von Erlenbach sehr wertvoll. Die mehrstämmigen Solitärgehölze und Kleinsträucher werden sorgfältig ausgewählt und gemäss ihrer zu erwartenden Wachstumshöhe präzise gegliedert. Nach aussen zu den Privatgärten und Häusern sind die Gehölze in der Höhe wie ein naturnaher Waldrand oder eine Hochhecke gestaffelt. Diese Staffelung schafft zusammen mit dem rhythmischen Abstand der Gehölze entlang der Grenze einen Weg und ein stimmungsvolles Wechselspiel von Licht und Schatten, sowohl auf dem privaten als auch auf dem öffentlichen Aussenraum. Auf der Spielwiese sollen Bewegungsspiele und kleine Quartierfeste möglich sein. Die Spielwiese ist kein Partyraum, sondern eine beschauliche, gepflegte Wiese, wo im Frühling stellenweise Blumen am Wegrand wachsen.

Plan

Schnitte

Gestaltungs- und Nutzungsregeln im Beanspruchungsspielraum

Im Perimeter des sogenannten Beanspruchungsspielraumes sind vor allem im Bereich Oberdorf südlich der Sigststrasse und unmittelbar nördlich der Sigststrasse eher ruhige Tagesnutzungen wie Kleinkinderspielplätze und Pflanzgärten in geschnittenen Hecken oder Hochbeete für Schnittblumen vorgesehen. Eine Blumenwiese schafft den Übergang vom Gehölzrand zu den privaten Gärten. Für die Einfriedung der privaten Freiräume sind jeweils für das private Grundstück zwingend einheitliche Raumelemente wie Hecken, gut gestaltete Zäune, Zäune mit Kletterpflanzen oder Mauern vorzusehen. Ihre Höhe soll mindestens 50cm betragen und ist auf einen Meter zehn begrenzt (siehe Schema Nutzungsregeln). Zudem dürfen Gehölzpflanzungen auf den privaten Grundstücken die öffentliche Gehölzpflanzung in ihrem Wachstum nicht behindern. Mit dieser einfachen Regelung wird eine individuelle Gestaltungsfreiheit auf den privaten Grundstücken und gleichzeitig ein räumlich gleichmässiges Erscheinungsbild am öffentlichen Gehölzrand sichergestellt. Im Norden wechseln die Gehölzpflanzungen vom öffentlichen Freiraum in den Bereich des Beanspruchungsspielraumes. Als Raumgrenzen präsentieren die Gehölze einen kleinen Platz entsprechend den Gebäudenutzungen und schaffen die Anbindung des Weges an den Bahnhof.

Die Phasen 1 und 2, es werde

In der ersten Phase, im Umwandlungsprozess des alten Dorfkerns und vor der Realisierung einer Tiefgarage, definieren mehrstämmige aufgeastete Gehölze in Plantbags die neue Spielwiese im öffentlichen Raum. Mit einem einfachen Kiesweg entlang des Perimeters des öffentlichen Raumes kann die Verbindung zum temporären Parkplatz und zu den Schnittblumenbeeten erstellt werden. Der Parkplatz mit Feinschotterbelag kann für einen Wochenmarkt oder andere temporäre Nutzungen welche auf die Nutzungen des nördlich des Sigstareals geplanten Markthauses ausgerichtet sind, zur Verfügung gestellt werden. Spielgeräte können nördlich der Sigststrasse bis zur Phase 2 auf der Spielwiese angeordnet werden. Der Beanspruchungsspielraum soll als Blumenwiese bestehen bleiben. Wenn ein neues Haus den Beanspruchungsspielraum nutzt, kann die öffentliche Hand die Ausgleichsfläche nutzen und begrenzen. Falls die Gemeinde diesen Ort sinnvoll bespielen kann, wie zBsp. mit Tagesnutzngen wie Kleinkinderspielplätzen, Pflanzgärten, Boccia oder Hochbeeten, werden diese Nutzungen mit Hecken umfriedet. Die Phase 2 startet wenn klar ist, ob eine Tiefgarage den Freiraum Sigst beeinträchtigt. Dann werden die Gehölze mit den Plantbags aus der Erde herausgenommen und nach dem Bau der Tiefgarage wieder in die Erde gepflanzt, aber ohne Plantbags. Die Plantbags stellen sicher, dass die Pflanzen bis ca. 10 Jahre gut verschulbar sind und die lebenswichtigen Wurzeln im Wurzelballen erhalten bleiben. So wie Topfpflanzen aber mit besseren Lebensbedingungen und einfacherer Pflege.

Erst dann wenn die Tiefgarage gebaut ist oder klar ist, dass keine gebaut wird können die Plantbags entfernt und die in Höhen abgestuften Kleinsträucher gepflanzt werden. Die Überdeckung der Tiefgarage muss ca. 80 cm Substrat erreichen. Im Beanspruchungsspielraum ist es möglich die Höhendifferenzen zum Bestand auszugleichen. Der Kiesweg im Gehölzrand könnte dann in der Mitte mit Betonplatten oder mit Pflästerung befestigt werden.

«The EMERGING MIDDLE CLASSES; endeavoring to emulate the upper classes, called for a way of life in a single home that was half town, half country. In urban London the Nash-Repton tradition of Regent’s was continued and adapted to middle-class use in the plan of the Ladbroke Estate, Holland Park (1846), a pioneer in combining the small rotate garden with the private collective garden that was not again to be so fully exploited for nearly a century. The suburbs round the periphery of town, now accessible by rail, proliferated individual homes. Not only were the gardens miniatures of the aristocratic park, but they were planned to contain as many as possible of the plant species that were now pouring into England. The style known as gardenesque was expounded by J.C. Loudon (1783 - 1843), a follower of Repton, whose influence through popular publications was universal. The illustration of garden details and a plan for suburban villa are from The Suburban Gardener and Villa Companion which he published in 1836.»